Auf ein Wort mit Michaela Buerger

Österreichische Strickkunst aus Frankreich: Michaela Buerger verbindet traditionelles Handwerk und Moderne und setzt sich mit ihrem gleichnamigen Label für den Erhalt der alten Techniken ein. Wir sprachen mit der Designerin über Heimat, ihre Liebe zu Paris und Crossover-Tracht.

Michaela Buerger Portrait

Michaela Buerger hat ihr Leben dem Stricken gewidmet. Bereits mit vier Jahren erlernte sie dieses Handwerk von ihrer Mutter. Aufgewachsen ist die Designerin im ländlichen Kärnten, umgeben von Bauernhöfen. Von Mode und Kunst fasziniert, studierte sie in Wien an der Akademie der bildenden Künste und danach an der Universität für angewandte Kunst beim international bekannten Modedesigner Raf Simons. Mit 25 Jahren zog sie nach Paris, um ihren Traum von einer Karriere in der Welt der Luxusmode zu verwirklichen. Niemand in der Branche bot damals handgestrickte Kleidungsstücke an. Hier setzte sie mit ihren handgefertigten Accessoires an und kombinierte traditionelle Techniken und Ikonen der Popkultur zu einzigartigen Strickwaren. Eine Idee mit durchschlagendem Erfolg. Die Corona-Pandemie nutzte Michaela Buerger, die heute im französischen Lyon lebt, für eine Schaffenspause und besann sich in dieser Zeit auf ihre Wurzeln und die Schönheit der traditionellen österreichischen Strickkunst. Sie fand einen Weg, Althergebrachtes in die Gegenwart zu übertragen und die alte Handwerkskunst wieder aufzuwerten.

Was stricken Sie am liebsten?
Im Moment Baby-Outfits für meine Tochter Rosalie. Vor allem im Winter sind süße Strickteile das Beste und Bequemste für Babies. Ich stricke aber auch die ersten Prototypen oder Musterproben für neue Kreationen selbst. Meine Lieblingswolle ist Merino d’Arles. Sie stammt von einer Schafrasse, die in den Alpen Südfrankreichs zu Hause ist.

Welche Rolle hat Tracht in ihrer Kindheit für Sie gespielt?
Meine Mutter strickte zu Hause Trachtenjacken für Touristen, ich wuchs also damit auf. Mit vier Jahren lernte ich von ihr selbst das Stricken. Meinen ersten Pullover strickte ich mit zehn. Ich konnte damals Stunden damit verbringen, Muster, vor allem Trachten-Strickmuster, zu studieren, und war dann sehr stolz, es geschafft zu haben. Das Wichtigste aber, was mir Tracht damals vermittelt hat, ist das Gefühl einer Heimat, die grundsätzlich respektvoll mit der Natur und den Menschen umgeht. Tracht bedeutet für mich die nachhaltigsten Kleidungsstücke, die in langwieriger, kunstvoller Arbeit hergestellt werden und die man eine Ewigkeit trägt. Ich denke, das ist ein dauerhaft moderner Ansatz, zu dem sich die gesamte Modebranche hin orientieren muss.

Was haben Sie in Paris am meisten geliebt?
An Paris liebte ich das kulturelle Angebot, die fantastischen Ausstellungen, das Ballett an der Opéra Garnier, die Konzerte, aber auch die Restaurants. Und dass man am Puls der Mode war, mit vielen internationalen Leuten aus der Branche vor Ort. Und natürlich Colette, den weltberühmten Concept Store. Es war jedes Mal ein Ereignis, dort die tolle Inszenierung der besten aktuellen Designer zu sehen. Ich bin heute noch sehr stolz darauf, meine Designs bei Colette im Schaufenster gesehen haben zu dürfen, was definitiv ein großer Booster für meine Karriere war.

Und was haben Sie vermisst?
Ich vermisste Weihnachten und Ostern mit ihren Traditionen, die es so in Frankreich beziehungsweise Paris nicht gibt. Was ich aber vor allem vermisst habe, war meine Familie. Auch den Schutz, der in einem familiären Umfeld besteht. Ich ging mit 25 Jahren alleine in diese Stadt, mit hundert Euro in der Tasche. Ich kannte dort nur eine Person. Die ersten Jahre und der Aufbau einer Existenz waren alles andere als leicht. Das Leben in Paris ist schon um einen Zacken härter, als man es aus Österreich kennt. Im Rückblick würde ich sagen, dass man diesen Schritt nur als junger Mensch tun kann. Die jugendliche Naivität schützt einen doch ein wenig, und man hat Gott sei Dank noch sehr viel Energie, um sich durchzuboxen.

Wie haben Sie die vielen Strickerinnen gefunden, die das traditionelle Handwerk noch beherrschen?
Unser Netzwerk hat sich über viele Jahre aufgebaut. 2011 war ich eine der ersten Designerinnen in Paris, die sich getraut hat, Handstrick zu präsentieren. Und es hat auch schnell Anklang gefunden. Ich durfte gleich in meinen Babyjahren als Unternehmerin Colette und Le Bon Marché zu meinen Kunden zählen – und Rihanna zu den Fans unserer Strickaccessoires. Die Stückzahlen sind rasch angewachsen, und so musste ich ein solides Netzwerk an kompetenten Strickerinnen aufbauen. Zum Teil haben sie mich gefunden, zum Teil ich sie. Eines war mir von Anfang wichtig: diesen Frauen eine Möglichkeit zu geben, ihr technisches Know-how aufgewertet zu wissen und auf Fair-Trade-Basis zu arbeiten. Es geht mir außerdem darum, das Erbe der alpinen Strickkunst in einer modernen Form aufrechtzuerhalten und weiterzugeben. Dazu braucht es technisches Know-how, das viele heute nicht mehr haben.

Wann und wo tragen Sie Tracht am liebsten?
Hier in Frankreich style ich Tracht zusammen mit modernen Teilen. Das Wort Tracht bedeutet ja eigentlich: das, was man trägt. Und ich tue es in meinem Sinne. Am liebsten trage ich meine Strickjacken kombiniert mit modischen Jeans und Sneakern, darüber einen Trenchcoat. Auch Walkjacken kombiniere ich auf diese Weise. Ein Dirndl trage ich gerne, wenn ich in Österreich oder im alpinen Raum bin.

Wo fühlen Sie sich zu Hause?
Bei meiner Familie. Ich bin vor kurzem Mutter einer zweiten Tochter geworden. Mein Mann und meine Töchter sind mein Zuhause, egal wo wir sind, ob in Lyon, in Österreich oder auf Reisen. Gute Freunde, mit denen man inspirierende Gespräche und Erlebnisse teilen darf, geben ebenfalls ein schönes Gefühl von Zuhause. Dadurch, dass ich alleine in ein „fremdes“ Land gegangen bin, habe ich gelernt, mir mit wenig ein Zuhause zu kreieren. Sei es bei einem schönen Abendessen, bei toller Musik oder einem guten Buch, wichtig ist, sich mit sich selbst wohlzufühlen. Kärnten, wo ich aufgewachsen bin und wo ich umgeben von meiner Mutter und der Verwandtschaft den Sommer verbringe, ist natürlich meine geliebte Heimat.


Die Strickwaren von Michaela Buerger sind im gleichnamigen Onlineshop zu erwerben.

© Fotos: Michaela Buerger