Mothwurf: „Vielseitigkeit zeichnet uns aus“

Stefanie Schramke und Anna-Katharina Mayer (Mothwurf)

Stefanie Schramke begann vor 35 Jahren, Trachtenmode für das Label ihrer Familie zu entwerfen. Im selben Jahr kam Tochter Anna zur Welt – die heute die Damenkollektion verantwortet. Ein Gespräch über Trachten damals und heute

Frau Schramke, Sie haben von 1988 an den Designbereich von Mothwurf aufgebaut. Erzählen Sie uns die Geschichte?

Stefanie Schramke: Mothwurf gibt es schon seit mehr als 250 Jahren. Der Großvater meines Mannes betrieb die Firma in Graz noch als reinen Stoffhandel. Meine Schwiegermutter begann Ende der 1970er-Jahre, Trachtenmode zu verkaufen. Als mein Mann Helmut und ich heirateten, arbeitete er bereits im Betrieb. Ich arbeitete damals als Kosmetikerin, entwarf aber in meiner Freizeit leidenschaftlich gern Kleider und Dirndl. Mein Mann schlug 1988 vor, dass ich eine eigene Kollektion entwerfen solle. Im gleichen Jahr hatten wir den Durchbruch – mit einer reinen Leinenkollektion.

Worauf kam es Ihnen damals besonders an?

Schramke: Technik ist in der Mode das eine – um eine Vision entwickeln zu können, muss man berufen sein. Mir sind die Ideen nur so zugeflogen. Von Anfang an verwendete ich ausschließlich Naturmaterialien, Leinen etwa und Knöpfe aus Horn oder Kokosnuss. Diese Kombination wurde zu unserem Markenzeichen.

Wann stand fest, dass Ihre Tochter Anna als Designerin einsteigen würde?

Schramke: Als ich 1999 den Designpreis der Stadt München gewann, erzählte ich in einem Interview, was sie kurz vorher zu mir gesagt hatte: Dass es in einigen Jahren zwei Designerinnen bei Mothwurf geben würde, eine junge, hübsche – und eine ältere. Damals war sie zehn Jahre alt. Was soll ich sagen – sie hat Recht gehabt.

Frau Mayer, was machen Sie heute anders als Ihre Mutter?

Anna-Katharina Mayer: Seit meine Mutter 1988 als Designerin begann – im gleichen Jahr, in dem ich zur Welt kam – hat sich die Mode komplett verändert. Das gilt für Stoffe, Silhouetten und unsere Fabrikanten. Heute sind zum Beispiel Biomaterialien im Trend, ebenso weiche, bequeme Stoffe. Auch lasse ich mir neue Ideen einfallen, wie etwa Trachtenjacken im Bolero-Stil oder einen Fransenmantel. Der war aber ein Gemeinschaftswerk meiner Mama und mir.
Schramke: Die Entwürfe aus den 1980er-Jahren wären heute unverkäuflich. Trotzdem holen Frauen ihre Modelle von damals noch aus dem Schrank und tragen sie weiterhin. Daran sieht man, wie nachhaltig Trachtenmode ist.

Was glauben Sie – warum kaufen Menschen heute Tracht?

Mayer: Diese Kleidung wird in erster Linie zu besonderen Anlässen gekauft, die Sachen heben sich von der Mode ab. Ich glaube, das ist es, was Menschen an Tracht schätzen – abgesehen von der Nachhaltigkeit und dem Bezug zu ihrer Heimat.
Schramke: Es stimmt, komplette Trachten-Outfits werden für bestimmte Anlässe gekauft, aber die einzelnen Stücke lassen sich wunderbar im Alltag kombinieren. Unsere Jacken kann man zum Beispiel auch zu Jeans tragen – dadurch wird ein alltägliches Outfit besonders. In Wien haben wir Kundinnen aus Afrika, Amerika oder Nordeuropa – die kaufen unsere Mode und tragen die Stücke in ihrer Heimat. Diese Vielseitigkeit zeichnet uns aus.

Frau Mayer, welche Lektionen haben Sie von Ihrer Mutter gelernt – in der Mode und im Leben?

Mayer: Sehr viele! Ich bin bei ihr durch eine sehr gute Schule gegangen. Die Linienführung unserer Modelle etwa habe ich heute einfach im Gefühl. Privat haben mir meine Eltern Bodenständigkeit und Herzlichkeit mitgegeben. Dafür bin ich dankbar.

Mothwurf in 20 oder 30 Jahren: Wer soll das Design dann leiten?

Mayer: Ich liebe meinen Beruf und kann mir gut vorstellen, dass ich ihn dann immer noch ausübe. Und: Ich habe eine sechsjährige Tochter, die bereits davon spricht, dass sie einmal bei uns in der Firma arbeiten wird. Neulich wollte sie lernen, wie man einen Knopf annäht.

Stefanie Schramke und Anna-Katharina Mayer (Mothwurf)
Stefanie Schramke und Anna-Katharina Mayer

Mehrgenerationengeschäft

Der Name Mothwurf ist der Mädchenname der Mutter von Geschäftsführer Helmut Schramke. Schon seit 1752 gab es in der Familie Stoffweber. Sie zogen von Süddeutschland über Wien nach Graz und eröffneten ein Geschäft in der Herrengasse, wo heute das Hotel Sacher ein Café betreibt. Im Laufe der Zeit wurde aus der Weberei ein Textilgeschäft. 1988 übernahm Helmut Schramke (63) gemeinsam mit seiner Frau Stefanie das Textilgeschäft seiner Mutter und schuf das Trachtenlabel Mothwurf. Der Kaufmann ist heute noch fürs Geschäft zuständig, Tochter Anna-Katharina (33) designt gemeinsam mit Mutter Stefanie die Mode und Sohn Dominik (38) kümmert sich um die Logistik. Sohn Mathis (27) hat gerade sein Jurastudium abgeschlossen.