Auf ein Wort mit Lena Hoschek: „Tradition ist die Umarmung, und Prêt-à-Porter der gute Sex!“

Das Label Lena Hoschek steht für Handwerkskunst, Qualität und Nachhaltigkeit. Wir sprachen mit der österreichischen Designerin über Rockmusik, Dolly Parton und tiefe Wurzeln.

Auf ein Wort mit Lena Hoschek
© Foto: Susanne Hassler-Smith

Die Schneiderkunst lernte Lena Hoschek von ihrer Großmutter kennen und lieben. 2005 startete sie mit ihrem ersten Atelier in der Grazer Altstadt durch. Seit 2016 befindet sich ihr Flagship-Store in der Wiener Innenstadt. Ihre Designs wurden schon von Stars wie Katy Perry, Lana del Rey, Sarah Jessica Parker oder Königin Máxima getragen.

Was bedeutet dir die „Jolene“-Kollektion und wie bist du zu diesem Thema gekommen?
„Eine große Inspiration für mich war schon immer Musik und ihre Interpreten. Generell bin ich schon von klein auf von Rock ’n’ Roll geprägt. Die ‚Sex Pistols‘ haben mich bereits mit acht Jahren von der Volksschule hinweg begleitet. Und seitdem hörte ich Jahrzehnte lang viel Alternative Rock. Das Lied „Jolene“ von Dolly Parton kennt jeder aus den 70er-Jahren, das dann auch von den ‚White Stripes‘ gecovered wurde. Ich finde, das ist eines der besten Lieder der Welt. Dolly Parton ist für mich die Mutter aller Singer-Songwriter. Das muss nicht rein die Country-Musik sein, für die sie so bekannt und beliebt ist. Es wissen nicht viele, dass Dolly Parton viele Musikstücke geschrieben hat, die dann gar nicht von ihr aufgenommen wurden, beispielsweise „I will always love you“ von Whitney Houston. Viele Singer-Songwriter in dem Alternative Rock- und Rock-Genre schauen sehr zu Dolly Parton auf. Wie Dan Auerbach oder Nicki Lane. Zur „Jolene“-Kollektion habe ich eine Spotify-Playlist erstellt, die zwölf Stunden lang ist und die Stimmung der Kollektion transportiert. Man wird überrascht sein, wie viel Musik sich da drin findet, die überhaupt nicht im Gegensatz zum 70er-Jahre-Lied von Dolly Parton steht, sondern eine gute Fortführung und Ergänzung ist. Was den modischen Stil der Kollektion betrifft – eine starke Inspiration waren Dolly’s Outfits aus den 70er-Jahren und ihren coolen Nachfolgern auf der ganzen Welt. Das ist mein kulturelles Zentrum, aus dem ich immer wieder Inspiration schöpfe. Was ich mit diesen Musikern gemeinsam habe, ist der Hang zum Spiel mit Klischees. Es hat den klassischen Rock ’n’ Roll-Vibe, der, wenn er von der richtigen Person getragen wird, ein echtes Statement setzt.“

Sind alle deine Kollektionen von Musik inspiriert?
„Eine Kollektion ohne Musik kann ich nicht kreieren. Es gibt Kollektionen, zu denen ich endlos passende Musik finde und eine große Playlist erstelle, und es gibt auch welche, bei denen ich mich etwas schwerer tue. Ich mache für den nächsten Herbst/Winter eine schottische Kollektion, und natürlich möchte ich die ganze Playlist nicht vollpacken mit Dudelsack-Musik. Ich suche gerade nach schottischen Interpreten und was es in diesem Genre da alles gibt. Ich habe dazu eher einen Vibe, der sich musikalisch nicht mehr ganz bei Schottland festmachen lässt, sondern eher Gothic ist und Mysterious/Blues angehaucht. Wie alle Designer gehe ich auf die Messe, schicke Moodboards an meine Lieferanten, kaufe Stoffe und bastele daraus meine Kollektion. Aber für mich steckt in einem Kleidungsstück mehr drin: Eine Stimmung, die das Kleidungsstück auch transportieren soll. Deswegen ist Musik für mich so wichtig.“

Wie setzt du Nachhaltigkeit um?
„Ich bin froh und dankbar, dass verstärkt über dieses Thema gesprochen wird. Es ist für mich jedoch fast müßig, über dieses Thema zu sprechen, da ich nie anders gearbeitet habe. Ich achte nicht erst seit ein paar Jahren auf Nachhaltigkeit, sondern seit Anbeginn meiner 18-jährigen Karriere. Punkt eins ist keine Verschwendung. Punkt zwei ist ein achtsamer Umgang mit Verpackungsmaterialien und ein so weit wie möglicher Verzicht darauf. Punkt drei sind kurze Transportwege. Dazu gehört für mich eine Produktion in Europa und auch der Einkauf von europäischen Materialien. Punkt vier ist soziale Verantwortung, anknüpfend an Punkt drei. Ich sehe mich als Industrieller in kleinem Maßen dafür zuständig, in Europa Jobs zu schaffen und zu sichern, anstatt wie viele Firmen nach Asien outzusourcen. Und dann mit Firmensitz in Österreich auch österreichische Gehälter für 65 Mitarbeiter zu garantieren. Punkt fünf ist der großteilige Verzicht von Kunstfasern. Überall komme ich nicht darum herum, da ein gewisser Anteil von Kunstfasern die Haltbarkeit und Performance eines Kleidungsstücks erhöht, aber es macht nur etwa zehn Prozent aus. Wenn wir uns über Nachhaltigkeit in der Mode unterhalten, ist das Wichtigste, was du als Konsument kaufst. Der Konsument muss sich zu seiner Verantwortung bekennen.“

Was bewegt dich aktuell in der Modeindustrie?
„Nächstes Jahr kommen zum Glück die vom Staat verhängten Nachhaltigkeitsauflagen, die sogenannten Lieferkettengesetze. Diese verpflichten einen transparenten Umgang mit Supply Chains. Auch mich wird das sehr beschäftigen, da ich zwar in Europa einkaufe, aber meine Lieferanten auch in Asien einkaufen. Ich bin neugierig, aus welchen Betrieben die Materialien kommen. Die Sache ist die: Man wird bei jedem Kleidungsstück darauf hinweisen können, wo was herkommt. Das sorgt zwar für Transparenz, aber nicht unbedingt für steigendes Interesse daran. Ich bin gespannt, was das mit der ‚Geiz ist geil‘-Mentalität vieler Konsumenten machen wird. Ich habe nur einen Appell: Kauft euch Sachen, die ihr lange liebt. Und so viel Wert haben, dass sie mehrere Lebenszyklen durchleben können.“

Wie gehören Lena Hoschek und Tracht zusammen?
„Tracht ist immer ein Teil von mir gewesen. Ich bin Steirerin und meine Mutter stammt aus dem Mölltal in Oberkärnten. Dort bin ich als Person sehr stark mit österreichischen Traditionen verwurzelt. Und auch den Bergen, der Landschaft und der Natur bin ich sehr verbunden. Und ich bin Traditions-Katholikin. Das heißt, alle diese wunderschönen Traditionen, die wir in Österreich haben und pflegen, etwa Trachtenvereine, Musikkapellen und Hausmusik, die machen einen großen Teil von mir, meinem Heimatgefühl und meinen Wurzeln aus. Lena Hoschek als Modedesignerin hat allerdings ihre Flügel ganz weit ausgestreckt. Ich würde mich wie einen Baum beschreiben: Meine Wurzeln sind tief in der österreichischen Erde vergraben, und meine Äste strecken sich doch über den Rest der Welt. Jedes halbe Jahr entwerfe ich eine neue Kollektion unter einem ganz eigenen Motto, sei es Mexiko oder Afrika. Ich brauche Abwechslung, aber auch meine starken Wurzeln. Ich bin einerseits sehr klassisch, aber auch sehr experimentierfreudig. Tradition ist die Umarmung und Prêt-à-porter der gute Sex!“


Die neueste Kollektion von Lena Hoschek gibt es auf lenahoschek.com zu entdecken.

© Fotos: Lena Hoschek